Spiel testen? Klar! Spiel spielen? Nee, wozu denn?

9 05 2009

Autor: wrowa

Über Eurogamer mag man geteilter Meinung sein (das heißt, sofern man über die englischsprachige .net-Ausgabe redet, bei der deutschen Eurogamer Niederlassung ist jede andere Meinung als „grauenhaft“ inakzeptabel) und eigentlich bin ich jemand, der die Seite und ihren Stil wirklich schätzt – doch in jüngster Zeit ist man dort ordentlich in ein fieses Fettnäppchen getreten. Nein, mehr noch: man hat sich blindlings in eine Fritöse gesetzt. Eine Fritöse der Marke „Grauenhafter Journalismus“.

Das MMORPG-Projekt Darkfall galt lange Zeit als Varpoware, doch Wunder geschehen bekanntlich immer wieder – auch im Falle von Darkfall, das mittlerweile das Licht der Welt erblickt hat. Kein Wunder hingegen ist es, dass Eurogamer dem Online-Rollenspiel ein Test unterziehen wollte. Diesen Wunsch wollten die Entwickler gerne erfüllen und stellten dem Magazin zwei Darkfall-Accounts zur Verfügung. Natürlich nutzte Eurogamer diese Gelegenheit und unterzogen dem Titel einen ausführlichen und tiefgründigen Test.

Das Ergebnis: eine der schlechtesten Benotungen, die Eurogamer jeweils vergeben hat. Der Schreiberling Ed Zitron watschte Darkfall mit miserablen zwei von zehn Punkten ab – natürlich ist dies absolut kein Problem. Wenn ein Spiel in den Augen des Rezenten keine höhere Benotung verdient hat, dann ist es durchaus legitim zu einer vernichtenden Punktzahl zu greifen.

In diesem Fall ist es allerdings ein Problem.

Erboste Fans ließen nicht nur die Comments des Darkfall-Artikels explodieren – zum jetzigen Zeitpunkt wurden über 1000 Kommentare hinterlassen –, sondern zeigen auch auf, dass es in Zitrons Test vor faktischen Fehlern nur so wimmelt. Ed Zitron habe augenscheinlich den Test geschrieben, bevor er überhaupt das grundlegende System hinter Darkfall verstanden habe. Dies kann man natürlich Augenrollend mit dem Kommentar „Fanboys verteidigen halt ihr liebstes Stück“ vom Tisch fegen – eine anderes Ereignis macht die Sache jedoch prekärer: Aventurine, das Studio hinter Darkfall, hat sich ebenfalls in die Diskussion eingebunden und eine vernichtende Behauptung im Gepäck: Eurogamer bzw. Ed Zitron seien nicht in der Lage gewesen Darkfall überhaupt zu testen. Man habe das Spiel gar nicht gespielt. Oder zumindest nicht lang genug, um darüber eine Rezension zu verfassen.

Dies machen sie anhand ihrer Server-Logs fest. Aus diesen geht hervor, dass der Darkfall-Account, der für den Eurogamer MMO-Chef reserviert war, lediglich einmal benutzt wurde – und das über einer Zeitspanne von ganzen drei Minuten. Nicht einmal einen Charakter habe er sich erstellt. Na gut, nun kann man natürlich sagen, dass es vollkommen reicht, wenn sich ein Redakteur das Spiel gründlich zur Brust nimmt – weshalb sollten also gleich zwei Leute das Spiel testen? Sehen wir uns also einmal das Log von Ed Zitron an: dieser hat sich immerhin 13 Mal in die Welt von Darkfall Online eingeloggt – und insgesamt knapp über zwei Stunden gespielt. Ja, richtig gelesen: zwei Stunden. Das ist allerdings noch nicht alles: in dieser Zeit hat er neun verschiedene Charaktere gespielt – die Erstellung und das Löschen habe auch den Löwenanteil der gesamten Spielzeit eingenommen.

Bitte, was? Er hat sich dem Spiel zwei Stunden gewidmet und die meiste Zeit davon im Character-Editor gesessen? Nicht vergessen: wir haben es hier mit einem MMO zu tun, das der gewöhnliche Spieler für hunderte Stunden spielen wird – und er denkt, nach lächerlichen zwei Stunden habe er Darkfall testen können? Obwohl er vom eigentlich Spiel gar nichts gesehen hat?

Natürlich möchte ich nicht behaupten, dass Aventuriness Online-Rollenspiel eine Perle darstellt (wie das folgende Bild zeigt, hat das Spiel zweifellos seine Probleme), nichtsdestotrotz ist eine solche „Rezension“ wie sie Eurogamer abgeliefert hat, absolut inakzeptabel und peinlich.

Wie reagierte das britische Online-Mag überhaupt auf die Anschuldigungen? Sie geben an, dass Ed Zitron nach eigener Aussage neun Stunden im Spiel verbracht habe und sich damit in der Lage sah, das Spiel ausreichend zu bewerten – anhand von Aventurines Logs ist die Glaubwürdigkeit dieses Statements allerdings äußerst fragwürdig. Zur gleichen Zeit unterbreitete Eurogamer allerdings das Angebot einen zweiten Test zu verfassen, um zu sehen ob ein anderer Redakteur die Meinung Zitrons bestätigt. Bei dem zweiten Schreiberling soll es sich um niemanden geringeres als Kieron Gillen handeln, dem Erfinder des so genannten „New Gaming Journalism“. Aventurine lehnte dieses Angebot allerdings ab: Man brauche kein Re-Review, sondern ein echtes Review. Eurogamers Test habe den Ruf von Darkfall irreparabel geschadet und obwohl die Beweislast gegen Zitron gerichtet sei, stehen sie dennoch zu dem Artikel und sind nicht bereit es von der Seite zu nehmen – in den Augen von Aventurine sehr schlimm, da der Test somit auch in Zukunft auf Gamerankings, Metacritic und Co zu finden sein wird. Das Metacritic-Team habe Aventurine zwar ihre ausdrückliche Sympathie bekundet, doch sei es ihnen nicht möglich das Darkfall-Review aus dem System zu löschen, solange es bei Eurogamer online ist – diese zeigen allerdings kein Interesse daran, den Schritt der Löschung durchzuführen. Für Aventurine ist es daher klar, dass das Re-Review-Angebot lediglich eine Farce darstellt und nur existiert, damit sich Eurogamer rein waschen kann – ohne dabei über den angerichteten Schaden nachzudenken. Dennoch hofft man, dass Gillen letztendlich für eine andere Seite einen Test zu Darkfall verfasst, denn: „I spoke with Kieron and I believe he is capable of doing an excellent job at reviewing Darkfall, so much so that it’s completely unfair for him, and for us, that he does mop-up duty after the original fraudulent review“.

Wie könnte man diesen Beitrag besser beenden als mit den letzten Worten, die Ed Zitron in Darkfall von sich ließ? 14 Minuten bevor er sich zum letzten Mal aus dem Spiel ausloggte, sendete er folgende Nachricht an die Spieler von Darkfall Online:

“how do I cast spells …help”


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8 responses

10 05 2009
sunblock

Okay – das is echt unter aller Kanone. Aber ich glaub auch, dass das nicht unbedingt ein Einzelfall in der Videospiel-Journalismus-Branche ist. Mehr also ein glücklicher Zufall, dass es bei einem Spiel passiert, bei dem man klare Beweise liefern kann.

10 05 2009
Fishy (Mister)

…nachdem lesen (Und vorallem Dingen beim letzten Satz) hatte ich das Bedürfnis meine Hand gegen die Stirn zu donnern…

Ein Glück das ich nicht auf Reviews vertraue.

10 05 2009
rilling

lol …

aber eigentlich mag ich eurogamer ;P

10 05 2009
Johannes

Bei meiner PlanetDS-Zeit habe ich aber auch gelernt, dass es manchmal reicht, ein Spiel ein paar Stunden (und eben nicht bis zum Credits-Bildschirm) zu spielen. Aber das kann ich jetzt auch hier nur verraten, weil das alles längst vorbei ist. Reviews sind sowieso totale Moppelkotze!

10 05 2009
rilling

Wieso magste Reviews nicht? =(

10 05 2009
wrowa

Naja, wie weit man ein Spiel spielen muss, um gutes Gewissens ein Urteil abgeben zu können, hängt aber auch immer ganz von dem zutestenden Spiel ab. Ein MMORPG nach zwei Stunden bewerten zu wollen – obwohl man noch nicht einmal verstanden hat, wie man Spells aus dem Hut zaubert -, ist absolut indiskutabel. Wobei man natürlich darüber streiten kann, inwiefern Tests zu MMOs überhaupt sinnvoll sind.

11 05 2009
sunblock

Ich bleibe bei der konservativen Meinung, dass man jedes Spiel mindestens durchspielen muss (d.h. den Storyverlauf beenden, wenn es keinen gibt andere, als „letztes Station“ markierte Ziele erreichen), um es fair bewerten zu können. Da lässt sich imo auch nichts dran rütteln. Ausser das Spiel hat kein klar erkennbares Ende. Das große Problem, dem heutige Reviewer gegenüberstehen, ist die schier unendliche Masse an Spielen, die sie bewerten müssen. (*hust* Gala *hust*)

9 06 2009
kintaro

Ed Zitron ist der inkompetenteste Redakteuer, oder was auch immer, von dem ich jemals etwas gelesen habe. Das einzigste was ich aus dem Bericht herausfiltern konnte, waren seine angestauten Aggressionen die er an einer wirklich guten Spiele Schmiede ausgelassen hat. Solche Leute sind verabscheuungswürdig. Die harte Arbeit anderer binnen weniger Minuten zu zerstören.. was für ein Künstler.
Ein MMORPG 15 Minuten spielen und ein Review schreiben.. Lächerlich. Der Typ dürfte niemals wieder einen Job in der Branche bekommen.

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